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Didaktisches Konzept: Lehren und Lernen mit Methode

2002 entwickelten wir unser erstes didaktisches Konzept. Im Vordergrund stand die Frage, wie die Übungstunnelanlagen gestaltet werden müssen, um sowohl realitätsnahe als auch hinreichend sichere Übungsbedingungen zu bieten. Das jetzt aktualisierte didaktische Konzept der International Fire Academy fokussiert auf das Lernmodell und die Lehrmethoden, die unserer Ausbildungsarbeit zugrunde liegen: Wir bieten Lern- und Erfahrungswelten an – lernen müssen die Kursteilnehmer selbst.

Erfahrungsbasiertes Lernen


Wir sprechen an der International Fire Academy von Erfahrungsdidaktik und von erfahrungsbasiertem Lernen. Wie muss man sich dies vorstellen? Unter Erfahrung versteht die Organisationspsychologin Annette Kluge im Gehirn gespeicherte persönliche Episoden, in denen sinnliche Wahrnehmungen mit Vorwissen und Vorerfahrungen, Zielen, Optionen, Emotionen, Entscheidungen und Handlungen verknüpft sind. So können Einsatzkräfte bei einem Brandeinsatz in einem Tunnel z. B. die Erfahrung machen, dass es äusserst anstrengend ist, zu zweit eine bewusstlose Person über eine Distanz von 100 Metern bis zum nächsten Notausgang zu tragen. Lernen können sie aus dieser Erfahrung, indem sie sich eine andere Transportmethode ausdenken und diese testen, beispielsweise die Verwendung einer Schleifkorbtrage mit Rollen. Erweist sich diese Technik als weniger anstrengend, haben sie gelernt: So können sie Menschen mit weniger Kraftaufwand und schneller retten, als es mit der alten Methode möglich ist.

Lernen aus Erfahrung besteht also darin, die gemachte Erfahrung zu reflektieren, daraus abstrahiertes Wissen und Schemata abzuleiten, diese aktiv auf gleiche oder ähnliche Situationen anzuwenden, dadurch neue Erfahrungen zu machen, diese wieder zu reflektieren und so fort, wie in der nachstehenden Abbildung gezeigt.

«Erfahrungsschatz» vergrössern


Mit jedem weiteren Lernzyklus kann ein Zugewinn an Erfahrungen und – als Ergebnis der Reflektion – von Erkenntnissen verbunden sein. So besehen wäre anzustreben, Einsatzkräfte möglichst oft in den Einsatz zu bringen. Denn je umfangreicher die Einsatzerfahrung ist, umso eher können auch schwierigste Aufgaben bewältigt werden.

Dem Streben nach Gewinn von Einsatzerfahrung, nach Vergrösserung des «Erfahrungsschatzes», wie es in der Alltagssprache heisst, stehen jedoch zwei Hemmnisse entgegen.

  • Erstens ist die Einsatzhäufigkeit für viele Einsatzkräfte eher gering. Dies gilt insbesondere für seltene Ereignisse wie z. B. Zugbrände in Bahntunneln.
  • Zweitens kann das persönliche Erfahren vieler Situationen mit hohen Risiken für die Einsatzkräfte selbst oder für Dritte verbunden sein.

Die praktische Lösung dieses Problems besteht darin, Einsatzsituationen zu simulieren.

Lehrmethode Simulation


Simulation bedeutet nachahmen, vortäuschen oder ganz einfach: So tun als ob. Der Zweck einer Simulation besteht darin, eine fiktive Situation zu schaffen, in der dann real gehandelt wird. Simulation ist möglich, weil Menschen nicht auf Wirklichkeit, sondern auf ihre Interpretation von Wirklichkeit und deren emotionale Bewertung reagieren, wie in der untenstehenden Grafik vereinfacht dargestellt: Von einem Ereignis in der Umwelt gehen elektromagnetische Wellen (Licht, Wärme), akustische Schwingungen, Moleküle von Geruchsstoffen, Druckwellen etc. aus, die wir mit unseren Sinnen empfinden. In diesen Empfindungen erkennt das Gehirn Fragmente, die es aufgrund von Vorwissen, Erfahrungen, Motivationen und Erwartungen zu einem bekannten oder neu erkannten Muster zusammenfügt.

Dieser kognitiven Interpretation folgt die emotionale Integration, bei der dem bekannten Muster dann eine subjektive Bedeutung zugeordnet wird: Ein erfahrener Feuerwehrangehöriger könnte die erkannte Situation als gut zu beherrschen bewerten und mit dem Löschen beginnen. Ein Laie hingegen mag grosse Angst empfinden und mit Flucht reagieren.

Wie wirklich muss Simulation sein?


Die entscheidende Frage ist: Wie genau muss die Übungswirklichkeit der Simulation der Einsatzwirklichkeit des Ernstfalls entsprechen. Eine völlige Deckungsgleichheit verbietet sich allein schon aus ethischen Gründen, weil die Lernenden dann erheblichen Risiken ausgesetzt würden. Anderseits sollen die in der simulierten Situation gewonnenen Erfahrungen auf reale Einsatzsituationen übertragen werden können. Dies wird erreicht, indem die Lernenden mit charakteristischen Merkmalen und Bedingungen der Einsatzwirklichkeit konfrontiert werden, soweit sie dadurch nicht unkontrollierbaren Risiken ausgesetzt werden. Ein Beispiel: Bühnenrauch nimmt den Übenden die Sicht, ohne sie der Gefahr einer Rauchgasvergiftung auszusetzen.

Prinzipien der Simulation


Vor diesem Hintergrund gelten für Simulationen der International Fire Academy folgende Prinzipien:

  • Simulationen bieten Lernenden Übungswirklichkeiten an, in denen sie konkrete Erfahrungen gewinnen, die sich auf die Einsatzwirklichkeit übertragen lassen.
  • Simulationstechnik und Szenarien sind so angelegt, dass einfache Fehler keine fatalen Konsequenzen haben können. Bei Störungen oder Unfällen können alle Anlagen innerhalb kurzer Zeit in einen ungefährlichen Zustand gebracht werden.
  • Simulationen bestehen aus der Kombination von UVA-spezifischen physischen Einsatzbedingungen und Einsatzszenarien.
  • Für die Simulation der physischen Einsatzbedingungen entwickelt und erstellt die International Fire Academy spezielle Übungsanlagen, die z. B. die räumlichen Dimensionen von Strassen- und Bahntunneln, schlechte Sichtbedingungen, Flammenschein und Hitze, Lärm und Geräusche und viele weitere einsatzrelevante Merkmale von Einsatzsituationen in UVA realitätsnah wiedergeben.
  • Die Einsatzszenarien werden aus realen Einsatzerfahrungen abgeleitet und sind so angelegt, dass sie von den Lernenden grundsätzlich gut bewältigt werden können, die Lernenden herausfordern und den Lernenden die Möglichkeit geben, ihre eigenen Leistungsgrenzen zu erfahren.

Die International Fire Academy führt keine verdeckten Simulationen durch; die Übenden sind sich immer bewusst, dass es sich ‹nur› um eine Übung handelt. Der psychische Druck der Einsatzwirklichkeit und die damit verbundene Angst zu versagen oder selbst verletzt zu werden, werden nicht nachgebildet.

Fehler sind ausdrücklich erlaubt


Simulationen dienen dazu, auch Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Deshalb sind Fehler ausdrücklich erlaubt und ein wichtiges Element des Lernprozesses. Wirklich lernen kann man aus Fehlern jedoch nur, indem sie gemeinsam mit den Instruktoren und anderen Kursteilnehmern reflektiert werden. Deshalb hat die International Fire Academy eine spezielle Feedback-Kultur entwickelt, in der Instruktoren nicht belehren, sondern lernen ermöglichen. Mehr dazu ist in einem Auszug des didaktischen Konzepts nachzulesen, das hier heruntergeladen werden kann.

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