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Feuerwehren frühzeitig in die Planung von Tunnelneubauten einbinden

Für jeden Tunnel bedarf es einer sowohl orts- als auch anlagenspezifischen Einsatzvorbereitung, die gemeinsam mit dem Betreiber und ggf. dem Ersteller des Tunnels entwickelt werden muss. Je früher damit begonnen wird, desto grösser ist die Chance, den Feuerwehren gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Sicherheit zu verbessern und unnötige Kosten zu vermeiden.

Frühe Einbindung nützt allen Beteiligten


Eine frühzeitige Einbindung der örtlich zuständigen Feuerwehren ist aus drei Gründen wichtig und für alle Beteiligten nützlich:

  1. Die Absicherung in der Bauphase muss frühzeitig geplant werden. Die meisten Ortsfeuerwehren sind nicht in der Lage, aus dem Stegreif den Abwehrenden Brandschutz und die Technische Hilfe in der Bauphase eines Tunnels zu leisten. Deshalb müssen sie dafür speziell ausgebildet und ausgestattet werden. Oder es wird, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg üblich, eine private Rettungswehr eingesetzt. Auch für deren Bereitstellung braucht es eine lange Vorbereitungszeit.
  2. Die einsatzrelevante Infrastruktur eines Tunnels sollte auf die technischen und organisatorischen Möglichkeiten der örtlichen Feuerwehren abgestimmt werden. Dadurch können oft sowohl Kosten reduziert als auch optimale Arbeitsbedingungen für die Feuerwehren geschaffen werden.
  3. Die Einsatzvorbereitung ist keineswegs eine rein feuerwehrtechnische Aufgabe. In nahezu jedem Fall stammen die für den Einsatz vorgesehen Feuerwehren aus verschiedenen Kommunen oder gar Staaten oder Bundesländern mit unterschiedlichen Feuerwehrgesetzen. In der Bauphase sind zudem zahlreiche Behörden, beispielsweise aus dem Bauwesen, dem Bergbau oder Umwelt, Arbeits- und Gesundheitsschutz, beteiligt. Dadurch werden viele Personen involviert, die zwar Spezialisten auf ihrem Fachgebiet sind, oft aber unzutreffende Vorstellungen von den Möglichkeiten und Grenzen der Feuerwehren haben – woraus nach unserer Erfahrung ein sehr grosser Kommunikationsbedarf resultiert.

Besondere Herausforderungen der Bauphase


Die Bauphase stellt besondere Anforderungen an die Einsatzkräfte, wie diese drei Beispiele zeigen:

  • Die Arbeits- und Einsatzbedingungen verändern sich mit dem Baufortschritt nahezu täglich, und viele Sicherheitseinrichtungen sind noch nicht oder nur provisorisch installiert. Deshalb bedarf es eines ständigen Austauschs zwischen Bauleitung und Rettungskräften.
  • In Strassentunneln betragen die maximalen Abstände zwischen zwei Notausgängen gemäss der europäischen Tunnelrichtlinie maximal 500 Meter. Diese Distanz kann von entsprechend ausgebildeten und ausgestatteten Feuerwehren bewältigt werden. Während des Baus können die Fluchtwege hingegen mehrere Kilometer lang sein. Derart grosse Eindringtiefen sind von den Feuerwehren praktisch nicht zu bewältigen, weshalb zur Absicherung spezielle Verfahren wie zum Beispiel der Einsatz von Fluchtcontainern angewandt werden müssen.
  • Um das Eindringen von Bergwasser zu verhindern wird bei manchen Tunnelbauverfahren der Arbeitsbereich an der Ortsbrust unter Überdruck gesetzt. Dieser kann dann nur über eine Druckluftschleuse betreten oder verlassen werden, was von den Rettungskräften sehr spezielle Kenntnisse verlangt und Rettungsaktionen erheblich verzögern kann.

Bei ungeklärten Zuständigkeiten drohen Bauverzögerungen


Nicht alle kommunalen Feuerwehren können die zuvor genannten besonderen Herausforderungen der Bauphase bewältigen. Deshalb wird im Idealfall bereits vor Beginn der Submission entschieden, wer den Abwehrenden Brandschutz und die Technische Hilfe in der Bauphase leistet wird. Dann kann auch rechtzeitig geklärt werden, wer die Kosten für entweder die Aufrüstung der Ortsfeuerwehr oder das Engagement einer privaten Rettungswehr trägt. In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach zu monatelangen Verzögerungen des Baubeginns, weil die Frage nach der Zuständigkeit für den Brand- und Arbeitsschutz in der Bauphase nicht rechtzeitig geklärt wurde.

Tunnel und Feuerwehr müssen zueinander passen


In vielen Fällen können die Feuerwehren ihre Taktik, Ausstattung und Ausbildung an die Erfordernisse eines nach Norm erstellen Tunnels anpassen. In manchen Fällen aber sind über die Norm hinausreichende Einrichtungen für die Feuerwehren erforderlich, um einen leistungsfähigen Abwehrenden Brandschutz sicherstellen zu können. Zwei Fallbeispiele:

  • In unmittelbarer Nähe von Portal A ist eine Stadtfeuerwehr stationiert. Auf der Seite des Portals B ist die nächstgelegene Ortschaft mit einer für Tunneleinsätze geeigneten Feuerwehr mehr als 30 Kilometer entfernt. Damit ist ein schnell wirksamer Löschangriff von Portal B aus praktisch unmöglich. Also muss überlegt werden, wie der Löschangriff durch die Feuerwehr A sichergestellt werden kann – sei es durch zusätzliche befahrbare Querschläge, einen gut befahrbaren Sicherheitsstollen, eine entsprechend ausgelegte Brandfall-Lüftung oder andere Massnahmen.
  • Aber auch der umgekehrte Fall tritt auf: Für einen Tunnel wurden zahlreiche befahrbare Querschläge zwischen den beiden Fahrröhren vorgesehen. Die in die Planung eingebundene Feuerwehr kam jedoch zu dem Schluss, dass sie diese kaum nutzen wird, weil sie beim Überfahren von der sauberen in die betroffene Röhre in vielen Fällen auf rückstauende Fahrzeuge stossen würde und dann ohnehin zu Fuss vorgehen müsste. Also würden Querverbindungen genügen, die zwar nur begehbar, aber erheblich kostengünstiger sind.

Entscheidungsbedarf vor der Einsatzplanung und Ausbildung

Die Tunneleinsatzlehre der International Fire Academy liefert für viele Planungsaufgaben umfangreiche Grundlagen, wie zum Beispiel das taktische Prinzip «Löschen um zu retten». Solche Grundmuster müssen jedoch an die konkreten personellen, technischen und organisatorischen Möglichkeiten der Feuerwehren angepasst werden. So kann sich zum Beispiel die schwierige Frage stellen, wie die Hilfsfristen zu definieren sind. Soll die Feuerwehr innerhalb einer bestimmten Zeit am Portal eintreffen? Oder an der Einsatzstelle im Tunnel? Je nach Definition und Länge des Tunnels könnte sich herausstellen, dass die erwarteten Eintreffzeiten von den vorhandenen Feuerwehr-Standorten aus auf keinen Fall eingehalten werden können. Also wird man entweder die Hilfsfristen verlängern oder aber die Ersteinsatzeinheiten näher zum Portal stationieren müssen. Solche Entscheidungen brauchen lange Diskussionen und umso mehr Zeit, je mehr Feuerwehren und Instanzen daran beteiligt sind. Aber bevor solche grundsätzlichen Fragen nicht entschieden sind, kann die Zahl der erforderlichen Kräfte nicht angesetzt und schon gar nicht deren Ausbildung geplant werden.

Den Tunnel richtig denken lernen


In der Planungsphase existiert der zukünftige Tunnel naturgemäss nur auf Plänen oder in Form von Modellen. Daraus ergibt sich die Aufgabe, den Tunnel, mögliche Schadenereignisse und darüber hinaus die Einsatzmassnahmen richtig zu denken. Das ist umso schwieriger, je weniger Tunnel-Einsatzerfahrung die jeweilige Feuerwehr bereits hat. Deshalb bietet die International Fire Academy Workshops an, in denen sich die zukünftigen Tunnelfeuerwehren mit den Besonderheiten unterirdischer Verkehrsanlagen vertraut machen können. Dazu gehören auch Exkursionen zu bereits bestehenden vergleichbaren Tunneln und den jeweils zuständigen Feuerwehren. Auch dafür sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, weshalb mit der umfangreichen Einsatzvorbereitung so früh als nur möglich begonnen werden sollte.

Die Taktik-Workshops der International Fire Academy eignen sich sowohl für die Ausbildung von Führungskräften als auch für die Einsatzvorbereitung.

IFA
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Ihr direkter Kontakt

Clemens Pessel

Ausbildungsberater

Ausbildungsberater Clemens Pessel