Stabsraum für den Lötschberg-Basistunnel mit Besprechungstisch und Funktionswesten über den Stuhllehnen

Führungsorganisation bei Brandeinsätzen in Tunneln: geplante Flexibilität

Während den Taktik-Ausbildungen an der International Fire Academy werden immer wieder Fragen zur Führungsorganisation und zu taktischen Übungen am Standort der Feuerwehren gestellt. Deshalb haben wir in diesem Beitrag nochmals wichtige Informationen zur Führungsorganisation zusammengestellt und gehen zudem auf die spezielle Herausforderung der Einsatzkommunikation ein, die nach unseren Erfahrungen sehr intensiv geübt werden sollte.

Wer leitet den Einsatz in der Anfangsphase?


Das schweizerische «Handbuch Führung Grossereignisse» der Feuerwehr Koordination Schweiz (FKS) sieht eine Gesamteinsatzleitung vor, die die Bereiche Feuerwehr, Polizei und Sanität sowie bei Bahntunneln den Bereich Bahn führt. Der Bereichsleiter Feuerwehr wiederum führt die Abschnitte der Feuerwehr – wie in der untenstehenden Grafik gezeigt. Da es bei einem Einsatz jedoch einige Zeit dauern wird, bis die Gesamteinsatzleitung vollständig aufgebaut ist, stellt sich die Frage: Von welcher Portalseite aus soll der Einsatz in der Anfangsphase geführt werden?

Das Didaktik- und Entwicklungsteam der International Fire Academy empfiehlt für diese Entscheidung zwei Kriterien: Zum einen erscheint sinnvoll, dass die Feuerwehr mit den grösseren Führungsressourcen die anfängliche Leitung übernimmt. Dies kann im Zuge der Einsatzplanung geklärt werden. Zum anderen können auch die situativen Bedingungen ausschlaggebend sein. Sind die Führungskräfte auf der einen Seite sehr stark gefordert, während die Kollegen auf der anderen Seite «nicht viel zu tun haben», sollten letztere die Leitung und damit z. B. die Kommunikation mit der Einsatzzentrale übernehmen. Deshalb wird den Einsatzleitern in unseren Führungskursen die Aufgabe gestellt, sich situativ über ihre jeweiligen konkreten Rollen abzustimmen. Je nach Situation, z. B. im Falle einer plötzlichen Rauchumkehr, kann es auch sinnvoll werden, die Rollen zu tauschen.

Abschnitte nach Bedarf definieren


Je nach Grösse und Komplexität der Tunnelanlage und dem Ausmass des Ereignisses können unterschiedlich viele Abschnitte erforderlich sein. Wie diese formal zu bezeichnen sind, ergibt sich aus den Reglementen des jeweiligen Feuerwehrsystems. Die untenstehende Grafik zeigt ein allgemeines Beispiel der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg für die obersten drei Führungsebenen.

Die konkrete Führungsorganisation ist jedoch immer an die jeweilige Tunnelanlage anzupassen. So werden z. B. immer mehr Strassen- und Bahntunnel in Betrieb genommen, die mit mehr als zwei Portalen ausgestattet sind, was die Bildung weiterer Abschnitte erfordern kann. Andere Tunnel sind nicht mit einer eigenen Löschwasserversorgung ausgestattet. Dort kann es sinnvoll sein, einen Abschnitt Wasserversorgung über lange Wegstrecken zu planen.

Hohe Flexibilität im Einsatz erforderlich

Keine Planung wird alle Eventualitäten des tatsächlichen Einsatzes abdecken können. Insbesondere bei Bahntunneln führen die möglichen Kombinationen von Standort des Zuges im Tunnel, Brandort im bzw. am Zug, Luftströmung und Verhalten der Reisenden zu einer schier unüberschaubaren Vielfalt möglicher Situationen und damit auch zu einem unterschiedlichen Bedarf an Abschnittsbildungen. Deshalb empfiehlt die International Fire Academy, die situative Abschnittsbildung intensiv zu üben. Dazu braucht es nicht viel: Ein einfacher Tunnelplan genügt, um unterschiedliche Szenarien durchspielen zu können.

Das Hauptproblem ist die räumliche Distanz


Es liegt in der Natur von Tunnelanlagen, räumliche Hindernisse zu überwinden, beispielsweise Berge oder Flüsse. Das macht es den Einsatzleitern meist unmöglich, sich vis-á-vis zu besprechen. Der grösste Teil aller Kommunikationen erfolgt als Funkgespräche. Nichts kann einander gezeigt, alles muss mit Worten beschrieben werden – sofern keine elektronischen Einsatzplanungs- oder Führungsinstrumente verwendet werden. Deshalb hat die technische und organisatorische Sicherstellung der Kommunikation zwischen den beteiligten Führungsstellen höchste Priorität.

Bei Einsätzen in Strassentunneln betrifft dies mindestens die Abschnittsleitungen und die Einsatzzentralen bzw. Leitstelle der Feuerwehren. Bei Bahneinsätzen kommen die Betriebszentralen und die vor Ort eingesetzten Führungskräfte der Bahn hinzu. Die International Fire Academy empfiehlt die Kommunikationswege gemeinsam mit allen beteiligten Organisationen zu planen und entsprechende Funknetzpläne zu erstellen, wie nachstehend an einem Beispiel gezeigt.

Auch das Kommunizieren trainieren

In unserem Ausbildungsbetrieb erfahren wir immer wieder, dass die Kommunikation für viele Feuerwehrangehörige eine der grössten Herausforderungen darstellt. Zwar werden die Funkgeräte richtig bedient und auch die Funker-Regeln werden meist gut beherrscht. Schwer tun sich viele Kursteilnehmer jedoch mit der Auswahl und Formulierung der Inhalte. Oft wird Wichtiges nicht mitgeteilt und stattdessen Nebensächliches ausführlich geschildert.

Die International Fire Academy empfiehlt deshalb, die Einsatzkommunikationen in der Übungsbesprechung bewusst zum Thema zu machen: Wer hätte wann welche Informationen benötigt? Wo waren diese verfügbar? Weshalb wurden sie nicht übermittelt? Wie kann ein ausreichender Informationsgleichstand bei allen Beteiligten erreicht werden? Diese Kommunikation über Kommunikation ist zeitaufwändig. Sie lohnt sich aber, weil nahezu alle Einsatzberichte «Kommunikationsprobleme» als grössten Mangel feststellen.

Grundvoraussetzung: einheitliche Begriffe


Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelingende Kommunikationen sind einheitliche Begriffe. Dies beginnt bei der Tunnelinfrastruktur. So ist zum Beispiel ein Querschlag kein Stollen. Denn ein Querschlag verbindet zwei Tunnelröhren, während ein Stollen ins Freie führt. Damit ist nicht gemeint, es müsse sich jeder Feuerwehrangehörige mit allen Begriffen der Bauwerk- und Betriebskunde vertraut machen, wohl aber mit den wenigen, die den «eigenen» Tunnel beschreiben.

Hat der «eigene» Tunnel keinen Stollen, dann braucht die zuständige Feuerwehr diesen Begriff nicht. Wenn aber doch, dann sollte er auch als Stollen bezeichnet und dieser Begriff bei Übungen etc. von allen Mitwirkenden richtig verwandt werden. Die nachstehende Abbildung zeigt ein Beispiel, wie Begrifflichkeiten definiert und gelehrt werden können. Sie wurde für die Ausbildung von Führungskräften an der tunnelreichen Bahnstrecke Nürnberg-Ebensfeld erstellt.

Hilfsmittel der International Fire Academy


Die International Fire Academy bietet zahlreiche Hilfsmittel für die Einsatzplanung und -vorbereitung. In den Fachbüchern «Brandeinsätze in Strassentunneln» und «Brandeinsätze in Bahntunneln» finden sich alle einsatzrelevanten Begriffe der Bauwerks-, Anlagen- und Betriebskunde sowie umfangreiche Checklisten für das Erstellen von Einsatzplänen. Muster-Einsatzpläne und viele weitere wertvolle Informationen können im Bereich «Wissen» heruntergeladen werden.