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Taktikzentrum: Raum für kollektive Lernprozesse

Das Taktikzentrum der International Fire Academy dient zur Ausbildung und zum Training von Einsatzleitern. Mit der eigens dafür entwickelten Projektionstechnik können alle nur erdenklichen Lagen dargestellt und von den Kursteilnehmern durchgespielt werden. Ein zentrales Übungsthema ist dabei stets die Kommunikation über Funk.

Ich sehe Dich nicht, Du siehst mich nicht


Eine der grossen Herausforderungen von Einsätzen in Tunneln besteht in der grossen räumlichen Distanz zwischen den Führungskräften. Sie sehen sich nicht und sie können sich in den meisten Fällen auch nicht an einem Ort zu gemeinsamen Lagebesprechungen treffen. Folglich muss die gesamte Kommunikation zwischen den Einsatzleitungen auf beiden Portalseiten und den Trupp-Chefs im Tunnel über Funk erfolgen. Das verlangt hohe Präzision und Konzentration, die geübt werden muss. Deshalb besteht unser Taktikzentrum im Kern aus vier Räumen, die für die beiden Portalzonen, das Tunnelinnere und die Feuerwehr-Leitstelle sowie bei Bahnkursen für die Betriebszentrale des Infrastrukturbetreibers stehen. Die Grundidee wurden übrigens Mitte der 2000er Jahre vom Feuerwehrinspektorat des Kantons Basel-Landschaft entwickelt, indem eine Zivilschutzanlage mit mehreren grossen Räumen für Planspiele genutzt wurde.

Licht statt Papier


Anfangs wurden die Pläne mit den Tunnelröhren und Portalzonen auf Papierbahnen ausgeplottet, um darauf mit Stiften die taktischen Massnahmen zu skizzieren. Die Folge waren ein immenser Papierverbrauch und bald auch eine kaum noch händelbare Menge an Papierrollen. Deshalb entwickelte die International Fire Academy gemeinsam mit Spezialisten für Projektionstechnik die heute verwendeten Taktiktische. Sie bestehen aus einem Tragegestell für jeweils drei grosse Glasplatten, auf die mittels Kurzdistanzprojektoren von unten die Pläne projiziert werden. Das ermöglicht eine praktisch unendliche Vielfalt von Szenarien und einen schnellen Wechsel zwischen den einzelnen Plänen.

Simulierte Lage, realer Stress


Die von den Einsatzleitern zu bearbeitenden Lagen sind vergleichsweise einfach zu simulieren. Denn die Führungskräfte erhalten im Planspiel genau die gleichen Informationen wie im Ernstfall, beispielsweise «Brand eines Lastwagens in der Mitte des Tunnels und Rauchaustritt auf Seite Ost». Zusammen mit den anlagenspezifischen Informationen auf dem Plan (Länge des Tunnels, Anordnungen der Röhren, Querschläge usw.) können bereits erste taktische Entscheidungen getroffen werden. Dabei ist allen bewusst, dass es sich lediglich um ein Szenario handelt, niemand wirklich in Gefahr ist und Fehlentscheidungen keine schlimmen Konsequenzen haben können. Dennoch werden die Planübungen mit sehr grossem Ernst durchgespielt und die Kursteilnehmer geraten dabei durchaus unter realen Entscheidungsdruck und manchmal auch ins Schwitzen.

In Varianten denken


Für taktische Aufgabenstellungen gibt es meist mehrere Lösungsätze und selten die eine einzig richtige Vorgehensweise. In der Taktikausbildung der International Fire Academy wird deshalb grosser Wert auf Variantendenken gelegt. Die Kursteilnehmer sollen unterschiedliche Lösungen entwickeln und deren Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Zentrale Bedeutung kommt deshalb den Übungsbesprechungen zu. Hier wird weder gelobt noch getadelt, sondern gemeinsam von allen Kursteilnehmern diskutiert, welche Vorgehensweisen zielführend sind und was – im nächsten Planspiel – optimiert werden kann. Die Instruktoren moderieren diesen kollektiven Lernprozess – den individuellen Nutzen daraus muss jeder für sich selbst ziehen. 

Komplexität mit einfachsten Mitteln


In der Planspieltechnik kombinieren wir zweidimensionale Pläne mit dreidimensionalen Einsatzmitteln. Röhren, Fahrbahnen, Portalzonen etc. sind mit einem Präsentationsprogramm gezeichnet und werden projiziert. Für die Darstellung von Feuerwehrfahrzeugen, Grosslüftern sowie havarierten Strassen- und Schienenfahrzeugen setzen wir Modelle in den Massstäben 1:87 und 1:160 ein. Einsatzkräfte und Personen werden durch Spielfiguren symbolisiert, Lösch- und Rettungszüge haben wir mittels eines 3D-Druckers hergestellt. Trotz der Einfachheit all dieser Simulationsmittel können Szenarien beliebig hoher Komplexität erzeugt werden. Denn entscheidend ist allein, was im Kopf der Übenden stattfindet.