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Verhalten bei einem Tunnelbrand (Teil 3/3): Einzelne Menschen können das Verhalten vieler beeinflussen

Um bei einem Brandereignis im Tunnel zu entscheiden, was sie tun sollten, benötigen Tunnelnutzer Informationen. Wenn sie in einigem Abstand zum Ereignis im Stau stehen, können sie die Lage meist nicht selbst bewerten. Sie sind auf Informationen angewiesen. Daher orientieren sich Tunnelnutzer oft an anderen. Dies kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

Gruppen verhalten sich anders als Einzelpersonen


Bereits weitere Personen im Fahrzeug können die Reaktionszeit auf Warnsignale verlängern. So wurde festgestellt, dass in Gruppen – etwa Familien – in der Regel von allen dasselbe Verhalten erwartet wird. Gruppen können daher mehr Zeit benötigen, weil sie sich erst formieren und aufeinander abstimmen. Sie warten auch oft auf klare Anzeichen einer Gefahr, bevor sie sich zur Flucht entscheiden. Bei der Flucht bestimmt meist die langsamste Person das Tempo.

In der Gruppe fühlt man sich weniger gefährdet

Auch wenn Menschen ihr Fahrzeug verlassen, kann es zu einer Gruppenbildung kommen. Tunnelnutzer beobachten gemeinsam die Situation. Dies kann dazu führen, dass sich jeder Einzelne von ihnen persönlich weniger betroffen fühlt. Dadurch kann die Gefahr unterschätzt werden.

Die erste Person, die sich anders verhält, kann viel bewirken


Wenn Autofahrer per Durchsage im Tunnel aufgefordert werden, ihr Fahrzeug zu verlassen, beobachten sie zunächst andere Tunnelnutzer. Verlässt niemand das Fahrzeug, bestätigen sich die Tunnelnutzer gegenseitig in ihrer Passivität. Steigt eine Person aus und geht zum Notausgang, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass andere folgen. Deshalb kann bereits das aktive Handeln einer einzigen Person das Fluchtverhalten im Tunnel deutlich beeinflussen.

Jedes Verhalten kann Nachfolger finden – auch Fehlverhalten

Doch nicht nur passives Verhalten kann sich negativ auswirken. Auch das Nutzen ungünstiger Fluchtwege kann zum Nachfolgen animieren. Menschen, die den sicheren Bereich verlassen und Flüchtenden entgegenlaufen, können diese irritieren. Dabei wird nochmals deutlich: Für Tunnelnutzer ist ein Brandfall im Tunnel ein aussergewöhnliches Ereignis, auf das sie mit einem völlig neuen Verhalten im Tunnel reagieren müssen. Deshalb ist Unsicherheit eine normale Folge aussergewöhnlicher Ereignisse – ebenso wie das Orientieren an anderen.

Führung kann von entscheidender Bedeutung sein

In Experimenten wurde beobachtet, dass Tunnelnutzer ihr Fahrzeug schneller verlassen und mehr Menschen die Notausgänge aufsuchen, wenn sie mit Durchsagen dazu aufgefordert werden. Auch Feuerwehrangehörige können die Führung übernehmen und mit Anweisungen zu einer schnelleren Evakuierung und Beruhigung der Tunnelnutzer beitragen.

Erfahrene Führungskräfte können meist auch im Notfall andere führen

Selbst Menschen, die nur zufällig als Tunnelnutzer betroffen sind, können die Führung übernehmen und dadurch viele Menschen in ihrer Flucht unterstützen. Dies gilt vor allem für Personen, die zum Beispiel in Beruf oder Ehrenamt gewohnt sind zu führen. Sie können oft auch in einer Notsituation auf das ihnen vertraute Verhalten zurückgreifen.

Warum es sich lohnt, Menschen immer wieder zu informieren


Es ist kaum möglich, alle Menschen dazu zu befähigen, die richtigen Entscheidungen bei einem Brandfall im Tunnel treffen zu können. Es wird immer eine individuelle Abwägung erforderlich sein. Kann unter diesen Vorzeichen viel durch Information bewirkt werden? Hier zählt die Erkenntnis, dass eine einzige gut informierte Person, die sich bei einem Brandereignis in einem Tunnel richtig verhält, viele andere positiv beeinflussen kann. Feuerwehren mit einem Tunnel in ihrem Einzugsgebiet sollten daher beispielsweise an ihrem Tag der offenen Tür immer wieder das richtige Verhalten im Brandfall und die Sicherheitseinrichtungen in «ihrem Tunnel» vorstellen. Vielleicht erreichen sie so die eine Person, die bei einem Brandereignis im Tunnel einen entscheidenden Unterschied im Verhalten vieler bewirkt.