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Einsatzbericht Bürgerwaldtunnel: Personen in Fahrzeugen belassen?

Am 2. Juni 2020 brannte im Bürgerwaldtunnel bei Waldshut-Tiengen (D) ein PKW aus. Elf Personen erlitten Rauchvergiftungen. Wir sprachen mit Kommandant Peter Wolf über die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Feuerwehreinsatz.

Das Brandereignis


Am 2. Juni 2020 durchfuhr eine Autofahrerin gegen 8:20 Uhr den Bürgerwaldtunnel in Richtung Waldshut-Tiengen. Kurz vor Erreichen des Westportals bemerkte sie Brandgeruch und sah Flammenschein. Sie brachte ihren Wagen im Tunnel 134 m vor dem Portalausgang zum Stehen. Hinter ihrem Fahrzeug stauten sich achtzehn Fahrzeuge, die nach kurzer Zeit vollständig von Rauch eingehüllt waren. Die ersten Notrufe gingen bei der Leitstelle noch vor dem Alarm der Brandmeldeanlage ein. Die untenstehende Grafik zeigt die Situation beim Eintreffen der Feuerwehr Waldshut-Tiengen.

Vom Westportal her hatten die Einsatzkräfte praktisch freie Sicht auf die Brandstelle. Am Ostportal trat dichter schwarzer Rauch aus. Peter Wolf: «Wir hatten also eine gut ausgebildete Anströmseite. Auf der Abströmseite aber füllte der Rauch das gesamte Tunnelprofil und trat praktisch waagerecht aus dem Ostportal aus. Er stieg erst nach etwa 50 m in die Höhe.» Die nachstehenden Bilder zeigen die Lage an den Portalen.

Schnelle Brandbekämpfung


Wie in der Einsatzplanung vorgesehen, wurde nach dem taktischen Grundsatz «Löschen um zu retten» sofort mit der Brandbekämpfung auf der Anströmseite begonnen. Das erste Löschfahrzeug fuhr bis zur Brandstelle vor und wurde ab einem Hydranten am Portal vom zweiten Löschfahrzeug mit Wasser versorgt. Unmittelbar anschliessend ging der erste Such- & Rettungstrupp, ebenfalls auf der Anströmseite, also vom Westportal aus, zunächst bis zur Brandstelle vor.

Personen in den Fahrzeugen belassen


Von zentraler Bedeutung für den Einsatzerfolg war aus Sicht von Peter Wolf die Entscheidung des Such- & Rettungstrupp-Führers. «Das ist ein sehr erfahrener Mann. Er erkannte richtig, dass der Brand gleich gelöscht und die Rauchbildung dann gestoppt sein wird.» Deshalb wurden Personen, die sich in den im Rauch stehenden Fahrzeugen befanden, vom Such- & Rettungstrupp mit entsprechenden Gesten beruhigt und aufgefordert, in ihren Fahrzeugen zu bleiben. «Das», so Kommandant Wolf, «hat auch gut funktioniert.» Schon kurze Zeit später war der Brand vollständig gelöscht, und aus dem Ostportal trat «nur» noch weisser Rauch aus.

Elf Selbstrettende erlitten Rauchgasvergiftungen


Bis zum Eintreffen der Feuerwehr waren bereits mehrere Personen zu Fuss durch die Fluchtstollen geflüchtet. Wie viele genau, ist nicht bekannt. Von diesen Selbstrettenden erlitten elf Personen Rauchgasintoxikationen und mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Ein Patient erlitt eine so starke Rauchvergiftung, dass er mit einem Rettungstransporthubschrauber in eine Spezialklinik zur Druckkammer-Behandlung geflogen werden musste. Die Fahrerin des in Brand geratenen Fahrzeuges blieb unverletzt.

Wie stark die Verrauchung der Tunnelröhre war, erlebten die Einsatzkräfte während der Aufräumarbeiten. Peter Wolf: «Die Lastwagen, die im Rauch gestanden hatten, stanken beim Ausfahren, als hätten sie selbst gebrannt! Das war sehr beeindruckend.»

Taktik «Löschen um zu retten» hat sich bewährt


Wichtigstes Resümee für Peter Wolf: «Die Einsatztaktik ‹Löschen um zu retten› hat sich voll und ganz bewährt. Das Ereignis hätte weitaus schlimmere Konsequenzen gehabt, wenn wir versucht hätten, alle Fahrzeuginsassen durch den Rauch zu retten.» Ausgezahlt, so Peter Wolf, hätten sich auch die detaillierte Einsatzvorbereitung und die spezielle Tunnelbrandausbildung. «Im Grossen und Ganzen ist alles gut gelaufen, und meine Leute haben einen sehr guten Job gemacht», lobt Wolf seine Mannschaft, die mit rund 120 Kräften im Einsatz stand. Dass nicht alles glatt lief, sei bei einem solchen Grosseinsatz kaum zu vermeiden. So zeigte zum Beispiel die Tunnellüftung nicht die erhoffte Wirkung. Und ein Löschfahrzeug rückte mit einigen Nicht-Atemschutzträgern an. « Die Kommunikation mit den Partnerorganisationen hat insgesamt noch Optimierungspotential. Und daran», so Peter Wolf, «werden wir nun gemeinsam arbeiten, damit es das nächste Mal noch besser läuft.»

Belassen ist generell eine Option


Aus Sicht von Peter Wolf, der vor seiner Zeit als hauptberuflicher Kommandant der Feuerwehr Waldshut-Tiengen bei der Berliner Feuerwehr tätig war, ist das Belassen von Personen generell eine Option. «Ich verfahre bei meinen Einsätzen, wie in Berlin sehr häufig angewandt, nach dem Motto: ‹Löschen ist (oft) die beste Menschenrettung.› Dieser Leitsatz passt auch bei den allermeisten Bränden in Gebäuden; also das Prinzip des Belassens. Wenn dies häufiger berücksichtigt würde, könnten viele Probleme vermieden werden.»