Eine offizielle Statistik über Brandereignisse in unterirdischen Verkehrsanlagen gibt es nicht. Deshalb wertet die International Fire Academy seit Anfang 2012 Medienberichte über Brandereignisse in Tunneln aus. Danach kommt es allein in der Schweiz, Österreich und Deutschland monatlich mindestens zu drei Bränden in Bahn- oder Strassentunneln.
Medienberichte aus der Schweiz, Deutschland und Österreich
Die Tunnelbrand-Statistik der International Fire Academy erfasst systematisch alle deutschsprachigen Medienberichte über Brände in Tunneln in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Mit aufgenommen werden Meldungen und Einsatzberichte, die uns von einzelnen Feuerwehren zur Verfügung gestellt werden. Gezählt werden alle Brandereignisse sowie die vereinzelten Vorfälle, bei denen Feuerwehren wegen unklarer Rauchentwicklung zum Einsatz kamen. Nicht gezählt werden Verkehrsunfälle ohne Brand sowie mutwillige oder technisch bedingte Fehlalarme.
439 Brandereignisse in zwölf Jahren
Nach den genannten Kriterien erfasst die Statistik der International Fire Academy für die Jahre 2012 bis einschliesslich 2023 insgesamt 439 Ereignisse. Das entspricht einem Durchschnitt von drei Ereignissen pro Monat. Rund ein Viertel alle erfassten Brände ereigneten sich in Bahntunneln (einschliesslich S-Bahnen und U-Bahnen), etwa 75 % in Strassentunneln.
Die Statistik ist zwangsläufig unvollständig, weil nur Ereignisse gezählt werden können, über die Medien berichten oder die uns von Feuerwehren gemeldet werden. Die tatsächliche Anzahl von Brandereignissen ist deshalb wahrscheinlich etwas höher als hier angegeben.
Unterschiedliche Tendenz bei Bahn- und Strassentunneln
Während die erfassten Ereignisse im Bahnbereich bei erheblichen Schwankungen von Jahr zu Jahr tendenziell leicht abnehmen, zeichnet sich bei der Zahl der berichteten Ereignisse in Strassentunneln eine deutliche Zunahme ab. Da unsere Statistik jedoch mangels offiziell erfasster Daten nur auf Medienberichten basiert, lässt sich nicht sicher sagen, ob tatsächlich mehr Ereignisse auftreten oder lediglich häufiger berichtet wird.
Andererseits wäre eine Zunahme von Ereignissen in Strassentunneln angesichts der in allen drei Ländern gestiegenen Fahrleistungen auf Strassen sowie der zunehmenden Anzahl von Strassentunneln nicht überraschend.
Neun Todesopfer in Strassentunneln
Den ausgewerteten Medienberichten nach kamen von Anfang 2012 bis Ende 2023 neun Menschen bei Fahrzeugbränden in Strassentunneln ums Leben. In allen Fällen waren die Fahrzeuge zunächst schwer verunfallt und die Insassen eingeklemmt worden, ehe die Brände ausbrachen. Uns liegt kein Bericht vor, wonach Menschen auf der Flucht aus einem Tunnel ums Leben kamen. Auch über Todesopfer bei Zugbränden in Bahntunnel liegen für den Erfassungszeitraum für die Schweiz, Deutschland und Österreich keine Berichte vor.
183 Verletzte grösstenteils durch Rauch
Der überwiegende Teil der insgesamt 183 Menschen, die bei den erfassten Ereignissen verletzt wurden, erlitt Rauchgasintoxikationen. 66 Personen wurden laut Medien bei Bränden in Bahntunneln verletzt. Allein beim Brand eines Autoreisezuges am 7. Juni 2023 im Terfener Tunnel in Tirol (A) erlitten 33 Menschen Rauchvergiftungen.
Elf Verletzte beim Brand im Bürgerwaldtunnel
Die meisten Verletzten im Strassenbereich forderte unserer Medienanalyse nach ein Personenwagenbrand im Bürgerwaldtunnel in Waldshut-Tiengen (D) am 1. Juni 2020. Zehn Selbstrettende mussten mit Rauchgasintoxikationen in umliegende Krankenhäuser, eine Person in eine Spezialklinik eingeliefert werden. Lesen Sie dazu den ausführlichen Einsatzbericht von Feuerwehr-Kommandant Peter Wolf in unserem Magazin.
Auch Einsatzkräfte verletzt
Für sechs Ereignisse wird von insgesamt 21 verletzten Einsatzkräften berichtet. Betroffen waren sieben Mitarbeitende von Bahnunternehmen, vier Polizeibeamte und zehn Feuerwehrangehörige.
Ereignisse in Tunneln durch Brände ausserhalb von Tunneln
Laut mehreren Berichten über Strassentunnel waren bei 66 Ereignissen die Röhren zwar erheblich verraucht, der Brand ereignete sich jedoch zumindest zeitweise ausserhalb der Tunnel. Dies sind zum einen die Fälle, in denen es den Fahrern gerade noch gelang, ihr brennendes Fahrzeug unmittelbar vor der Einfahrt in den Tunnel zu stoppen oder dieses noch aus dem Tunnel hinauszufahren. Davon wird bei 57 Ereignissen berichtet. Bei elf Brandereignissen zog Rauch von anderen brennenden Objekten (Gebäude, Vegetation) in einen Strassentunnel. Wir haben auch solche Fälle als Tunnelbrandereignisse gezählt, weil sie zu äusserst kritischen Situationen in einem Tunnel führen können.
Nur vereinzelt Gebäude in der Umgebung gefährdet
Wenige Berichte liegen über den umgekehrten Fall vor, also dass Rauch durch einen Brand in einem Tunnel umliegende Objekte gefährdet hat, wie zum Beispiel beim Brand eines ICE am 10. November 2022 im unterirdischen Bahnhof des Flughafens Köln/Bonn. Hier breitete sich der Rauch auf dem Flughafengelände aus und drang in Parkhäuser ein. Ein Einsatzbericht dazu findet sich ebenfalls in unserem Magazin.
Unterschiedliche Brandquellen in Bahn- und Strassentunneln
Brände in Strassentunneln waren zu rund 90 % Fahrzeugbrände, selten wurde beispielsweise über Brände in elektrischen Anlagen berichtet. Die Häufigkeitsverteilung bei den erfassten Ereignissen zeigt das untenstehende Diagramm.
In Bahntunneln sind Fahrzeugbrände in der Minderheit
Ein anderes Bild ergibt sich für Bahntunnel: In nur 22 Prozent der erfassten Fälle brannten Schienenfahrzeuge bzw. Teile davon wie z. B. Kondensatoren oder Bremsen. Bei 24 Ereignissen handelte es sich also um Zugbrände. In allen anderen Fällen brannten Objekte wie Schaltschränke, Elektrokabel, Müll, hölzerne Bahnschwellen und Laufstege, Reisegepäck oder Nachbargebäude, von denen der Rauch in die unterirdischen Anlagen zog. In sechs Fällen brannten Baumaschinen in Tunnelbaustellen.
Kritische Rauchentwicklung auch bei kleinen Bränden möglich
Dass in Tunnelanlagen auch kleine Brände zu Grosseinsätzen führen können, zeigt ein Beispiel aus Berlin, über das die Deutsche Presseagentur dpa berichtete: Am 30. September 2022 brannte im U-Bahnhof Seestrasse eine kleine Menge Dämmmaterial. Die Berliner Feuerwehr bot rund 90 Einsatzkräfte auf, um drei Personen aus verrauchten Bereichen zu retten, den Brand zu löschen und die unterirdischen Bahnanlagen zu entrauchen.
Mehr Gefahrenquellen in S- und U-Bahnen
Die grosse Bandbreite möglicher Brandobjekte erklärt auch, weshalb die meisten Brände im Bahnbereich (60 %) in S-Bahnen oder U-Bahnen auftraten: Diese bieten mit ihren weit verzweigten Röhrensystemen, vielen Bahnhöfen und Haltestellen sowie elektrotechnischen Anlagen viel mehr Gefahrenquellen als zum Beispiel Tunnel auf Fernbahnstrecken.
Schlussfolgerungen aus der Auswertung
Da die Statistik der International Fire Academy bislang überwiegend auf Medienberichten beruht und eine unbekannte Zahl von Ereignissen somit nicht erfasst werden, ist bei der Interpretation grosse Vorsicht geboten. Wir kommen aufgrund der ausgewerteten Berichte zu folgenden Schlüssen:
- Im Vergleich zu anderen Brandereignissen sind zwar Brände in Tunneln selten, andererseits zeigen 439 erfasste Ereignisse in zwölf Jahren, dass der Aufwand für die Tunnel-Einsatzvorbereitung mit Blick auf die möglichen Ausmasse und Folgen gerechtfertigt ist.
- In Strassentunneln brennen überwiegend Strassenfahrzeuge, in Bahntunnel hingegen überwiegend Objekte der Tunnelinfrastruktur wie z. B. Schaltschränke.
- Auch Brände ausserhalb von Tunneln können zu kritischen Situationen führen, wenn der Rauch in eine unterirdische Verkehrsanlage zieht.
- Den Medienberichten nach forderten Tunnelbrände in der Schweiz, Deutschland und Österreich von 2012 bis einschliesslich 2023 neun Tote. Zum Vergleich: Von 1999 bis 2006 kamen allein bei den Bränden im Mont Blanc, Tauern, Gotthard und Via Mala Strassentunnel 71 Menschen ums Leben.
Die International Fire Academy wird die Statistik konsequent weiterführen. Gerne nehmen wir auch Einsatzberichte direkt von Feuerwehren auf. Wir freuen uns daher, wenn Sie uns mit einem Hinweis zu Ihrem Einsatz per E-Mail kontaktieren: forum(at)ifa-swiss.ch. Wir melden uns dann bei Ihnen.
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