ifa_MAG_910_CBR_4850.jpg

Eindringtiefe - wie weit können Feuerwehrangehörige im Bahntunnel vorrücken?

In unseren Bahn-Führungskursen unterscheiden wir zwischen erforderlichen und effektiven Eindringtiefen und geben dafür unterschiedliche Werte für die An- und Abströmseite an. Da diese Differenzierung manchmal zu Missverständnissen führt, erläutert dieser Magazinbeitrag nochmals die Kernaussagen.

Die erforderliche Eindringtiefe


Unter erforderlicher Eindringtiefe wird die Wegstrecke von einem sicheren Raum zur Einsatzstelle verstanden. Sichere Räume sind zum Beispiel die nicht verrauchten Bereiche ausserhalb der Portale und der Notausgänge, die im Freie liegen, aber auch überdruckbelüftete Fluchtstollen, eine nicht betroffene Nachbarröhre oder das Rettungsfahrzeug eines Lösch- und Rettungszuges.

Die effektive Eindringtiefe auf der Abströmseite


Auf der Abströmseite ist die effektive Eindringtiefe die Wegstrecke, die Einsatzkräfte im Rauch unter Atemschutz bei Berücksichtigung der Sicherheitsregeln tatsächlich zurücklegen können. Dieser Wert hängt vom individuellen Atemluftverbrauch der Einsatzkräfte ab. Er variiert je nach deren Fitness und Aufgaben sowie den Einsatzbedingungen zwischen wenigen hundert bis zu mehr als tausend Metern. Für die grobe Orientierung, welche Eindringtiefe erreicht werden kann, gibt die International Fire Academy bei Verwendung von Zweiflaschengeräten einen Durchschnittswert von 500 Metern an.

Die effektive Eindringtiefe auf der Anströmseite


Auf der rauchfreien Anströmseite gehen die Einsatzkräfte zwar mit aufgezogenem Atemschutzgerät, jedoch ohne angelegte Maske vor. Da sie keine Luft aus den Flaschen verbrauchen, könnten sie im rauchfreien Bereich theoretisch beliebig weit in den Tunnel eindringen. Aber: In den meisten Bahntunneln besteht die Gefahr einer plötzlichen Rauchumkehr. In diesem Fall müssen die Einsatzkräfte durch den Rauch zurückkehren. Dafür muss der Atemluftvorrat in den Flaschen ausreichen sowie eine Sicherheitsreserve zur Verfügung stehen. Um dies zu gewährleisten, empfiehlt die International Fire Academy, bei Verwendung von Zweiflaschengeräten nicht weiter als etwa 1'000 m in den Tunnel einzudringen.

Manometer beobachten oder Fluchtwegeschilder beachten


Entscheidend für den Rückzug auf der Abströmseite ist der Luftverbrauch, der am Manometer abgelesen wird. Beim Vorgehen auf der rauchfreien Anströmseite wird jedoch keine Luft aus den Flaschen gezogen. Folglich kann der Manometer keinen Verbrauch anzeigen. Deshalb sollten sich die Atemschutztrupps an den Fluchtwegeschildern orientieren, die in der Regel den Rückweg bis zu dem sicheren Raum anzeigen, von dem der Trupp losgegangen ist oder den er zuletzt passiert hat.

Durchschnittswert ist kein Soll oder Muss

Die effektive Eindringtiefe von 500 m auf der Abströmseite ist kein Sollwert. Weder muss ein Trupp im Einsatz diesen Wert erreichen, noch ist gemeint, dass er ihn nicht überschreiten dürfe. Entscheidend ist allein der tatsächliche Luftverbrauch. Die effektive Eindringtiefe ist ein Durchschnittswert für die taktische Planung, der besagt: 500 Meter können im Durchschnitt erreicht werden. Soll heissen: Beträgt die erforderliche Eindringtiefe beispielsweise 2'000 Meter, sollte nicht davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlich leistungsfähiger Trupp tatsächlich so weit vordringen könnte, ohne sich zu gefährden.

Sicherheit hat oberste Priorität

Bei der Definition der Eindringtiefe auf der rauchfreien Anströmseite orientierte sich die International Fire Academy an Sicherheitsüberlegungen: 1'000 Meter sollte ein Trupp, wenn er von Rauch überrascht wird und sich zurückziehen muss, mit je zwei vollen Atemluftflaschen bewältigen können. Höhere Eindringtiefen mögen möglich sein, bedeuten aber grössere Risiken und jedenfalls eine grössere körperliche und psychische Belastung der Einsatzkräfte.

Die Praxis zeigt: Mehr ist möglich


Aktuelle Versuche der Thüringer Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule zeigen, dass in der Praxis auf der Anströmseite deutlich höhere Eindringtiefen erzielt werden können. Das Didaktik- und Entwicklungsteam der International Fire Academy wird sich im Austausch mit den Thüringer Kollegen intensiv mit der Frage auseinandersetzen, welche Empfehlungen daraus abgeleitet werden können. Bestätigt aber ist bereits jetzt, dass die in diesem Magazinbeitrag angegebenen Werte nicht zu hoch angesetzt sind.

Erfahren Sie mehr ...


...über Einsätze, Lehrunterlagen, Technik, bewährte Einsatzmittel, Gefahren und andere feuerwehrrelevante Themen in unseren zahlreichen Magazinbeiträgen.