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Kann man Züge unter Einsatzbedingungen trennen?

In unseren Führungskursen wird häufig vorgeschlagen, bei einem Zugbrand in einem Tunnel den nicht brennenden Teil des Zuges abzukuppeln und ins Freie zu ziehen. Dieser Magazinbeitrag erklärt, weshalb diese taktische Option unter Einsatzbedingungen bei Reisezügen praktisch kaum umsetzbar ist und bei Güterzügen eine sehr grosse Herausforderung darstellt, die Fachpersonal erfordert.

Trennung von Reisezugwagen verlangt Fachkenntnisse


Die Wagen eines Reisezuges sind neben der Kupplung, die die Zugkraft überträgt, mit Druckluftschläuchen, Steuerkabeln und Stromleitungen mit einer Spannung von meist 1000 Volt verbunden. Arbeiten an einer solchen Kupplungsanlage setzen deshalb Fachkenntnisse voraus, über die Feuerwehreinsatzkräfte in der Regel nicht verfügen. Aber selbst für Fachleute wäre die Trennung von Reisezugwagen unter Einsatzbedingungen sehr schwierig, zumal in einem Tunnel und unter Atemschutz.

Manche Wagen lassen sich nur trennen, wenn sie angehoben werden

Viele Hochgeschwindigkeitszüge, wie zum Beispiel der TGV (Train à Grande Vitesse), lassen sich ausschliesslich unter Werkstattbedingungen trennen, weil sich je zwei Wagenkästen ein Drehgestell teilen. In diesem Fall müssen die Wagenkästen zum Trennen der Wagen erst angehoben und das Drehgestell vollständig entlastet werden.

Güterzüge können getrennt werden


Anders verhält es sich bei vielen Güterzugwagen, die mittels einer sogenannten Schraubenkupplung miteinander verbunden sind. Diese können auch unter Einsatzbedingungen getrennt werden. Im Juni 2011 geriet im Simplontunnel ein Güterzug mit LKW-Sattelaufliegern in Brand. Hier gelang es den Interventionseinheiten der Schweizerischen Bundesbahnen und der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn, vier noch nicht vom Brand betroffene Wagen sowie die beiden Lokomotiven abzukuppeln und mit einer Diesellok ins Freie zu ziehen.

Die Kupplung zu lösen genügt nicht

In unseren Führungskursen wird oft eingewandt, zumindest das Lösen einer Schraubenkupplung müsse doch auch ohne spezielle Fachkenntnisse machbarsein. Das wäre zwar möglich, doch damit das Lösen der Kupplung sinnvoll und sicher ist, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein.

  • Erstens kann der abgekuppelte Zugteil nicht selbständig aus dem Tunnel fahren, da die Fahrleitungen geerdet sind. Deshalb braucht es eine Diesellokomotive, die den zu rettenden Zugteil mit Druckluft für das Lösen der Bremsen versorgt und aus dem Tunnel zieht.
  • Zweitens muss der Zugteil, der im Tunnel verbleibt, vor dem Lösen der Kupplung fachgerecht gegen Wegrollen gesichert werden. 

Oft unmöglich und immer sehr schwierig


Fazit: Die Trennung eines Reisezuges in einem Tunnel ist unter Einsatzbedingungen je nach Bauart technisch unmöglich oder zumindest extrem schwierig. Die Trennung eines Güterzuges kann eine taktische Option sein. Dies gilt aber nur für «Bahnfeuerwehren» wie zum Beispiel die SBB Intervention, deren Angehörige sowohl das Feuerwehrhandwerk beherrschen als auch über die erforderlichen bahntechnischen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen.

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...über Einsätze, Lehrunterlagen, Technik, bewährte Einsatzmittel, Gefahren und andere feuerwehrrelevante Themen in unseren zahlreichen Magazinbeiträgen.